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Anwaltskosten als Unfallschaden? Ja, sicher!

01.11.21Was selbstverständlich scheint, leugnen Versicherungen immer noch (zu) oft und hartnäckig: Selbstverständlich darf der Unfallgeschädigte einen Rechtsanwalt zu seiner Unterstützung beauftragen und erhä

Diese Selbstverständlichkeit hat mittlerweile selbst der BGH klargestellt.

1.            Versicherungen bestreiten die Erforderlichkeit

Argument der Versicherungen: Bei sogenannten einfach gelagerten Fällen sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich, gerade wenn der Geschädigte geschäftlich gewandt sei. Es werde auch ohne Rechtsanwalt sachgerecht reguliert. Bei klarer Haftungslage sei die Geltendmachung von Ansprüchen leicht auch selber zu bewältigen. Eines Rechtsanwaltes bedürfe es dafür nicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Versicherer sofort seine Haftung dem Grunde nach bestätigt habe.

2.            Hintergrund: Urteil des BGH aus dem Jahr 1994

Hintergrund dieser Argumentation: Der BGH hatte im Jahr 1994 (Az.: Az. VI ZR 3/94) entschieden: Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Haftung nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers besteht, so ist für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger , bzw. seiner Versicherung die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte selbst hierzu aus besonderen Gründen, wie etwa Mangel an geschäftlicher Gewandtheit, nicht in der Lage ist.“

3.            „einfach gelagerter Fall“

Entscheidend ist also die Frage: Wann liegt ein einfach gelagerter Fall vor? Häufig, sagt die Versicherung, nämlich etwa dann, wenn der Unfallschaden gering ist, die Haftungslage dem Grunde nach klar ist oder wenn es um einen Unfall im ruhenden Verkehr geht, z.B. einen Parkplatzrempler. Aber: Liest man das BGH-Urteil aus dem Jahre 1994 vollständig, ist schnell klar: einen einfach gelagerten Fall gibt es schlicht gar nicht (mehr). Und zwar schon deshalb, weil dafür im Zeitpunkt der Einschaltung des Rechtsanwalts für den Geschädigten laut BGH feststehen müsste, dass die Versicherung keine Einwände zur Schadenhöhe erhebt. Und mal ehrlich: Ist das heutzutage denkbar?

4.            Aktuelle BGH- Rechtsprechung: einen „einfach gelagerten Fall“ gibt es nicht

Nein, natürlich nicht. Nachdem zahlreiche Instanzgerichte dies mit Blick auf das aktuelle Regulierungsverhalten der Kfz-Versicherer so im Sinne der Geschädigten entschieden hatten, fühlte sich hierzu auch der BGH berufen. In seinem Urteil vom 29.10.2019, Az. VI ZR 45/19 heißt es:

„Dabei wird (in den Urteilen der Instanzgerichte) zu Recht darauf abgestellt, dass bei einem Fahrzeugschaden die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert wird, die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu nach wie vor fortentwickelt wird und dementsprechend zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge ‒ wie auch vorliegend ‒ bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten wird.“

Als Geschädigter müsse man heutzutage folglich immer damit rechnen, dass jedenfalls die Schadenhöhe angezweifelt wird. Und dies gilt nicht nur für den Laien, sondern auch den geschäftlich gewandten Geschädigten, also etwa den Flottenmanager.

5.            Fazit: Anwaltskostenersatz? Ja, sicher!

Einen einfach gelagerten Verkehrsunfall gibt es also quasi nicht. Und damit gehören die Rechtsanwaltskosten nahezu immer zum Unfallschaden, den die Versicherung beim unverschuldeten Verkehrsunfall zu ersetzen hat.

 

Fachanwalt für Verkehrsrecht Sebastian Baur, BRINK & PARTNER, Flensburg