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Tragischer Humor – Werbung im Gericht
09.03.17Es gab mal Zeiten, da war der Rechtsanwalt ein ehrbarer Beruf, der sich vom üblichen Wirtschaftsleben durch sein hohes Maß an Rechtstreue, Unabhängigkeit und Neutralität ausgezeichnet hat.
Dass diese Zeiten vorbei sind wird einem spätestens bei den Litfaßsäulenwerbungen anwaltlicher Kollegen in Großstädten und diversen Aufklebern auf Automobilen bewusst, die nicht nach wirtschaftlichen Niedergang aussehen. Lange haben die Berufsstandsvertretungen und Gerichte gebraucht, diese schöne neue Welt der Anwaltswerbung zu akzeptieren.
"Unter den Talaren - Muff von 1.000 Jahren" - ein völlig veralteter Spruch aus den 68er Zeiten also.
Ob es nun der ausbleibende Umsatz, Eitelkeit oder wertfreie Motive sind, die zu solchen Werbemaßnahmen hinleiten, jedenfalls erreichen diese Ihre Zielgruppe im realen Leben und führen glücklicherweise dazu, dass der von rechtlichen Auseinandersetzungen weitgehend unbelastet durchs Leben gehende Bürger die Justiz und Anwälte nicht mehr als irgendetwas abgehobenes und elitäres ansieht, sondern als Menschen und Institutionen, mit denen man sich ganz vernünftig austauschen kann.
Einem Kollegen reichte dies aber nicht. Er wollte auch im Gericht dieses hohe Maß an Bürgernähe zeigen, indem er auf seine anwaltliche Robe seinem Namen und die Internetadresse seiner Kanzlei aufsticken wollte. Wohlgemerkt: Sticken. Kein profaner Druck. Der Kollege wollte also wenigstens Stil beweisen.
Damit tastet er natürlich den heiligen Gral, die Symbolfigur anwaltlicher Unabhängigkeit direkt an. Denn das ist die Robe doch, die uns Anwälte als Organe der Rechtspflege kennzeichnet, obschon wir sie manchmal spöttisch als Kutte oder Kampfanzug bezeichnen. Wir müssen sie übrigens tragen. Ein Kollege, der das als Verletzung seiner Berufsfreiheit anprangerte wurde vom Bundesverfassungsgericht eines besseren belehrt (BVerfG, NJW 1970, 851).
Das Richter und Anwälte manchmal profan Jeans darunter tragen und manche Kollegen gar schon auf den Langbinder verzichten, das nehmen wir mit gewisser Lässigkeit zwischenzeitlich hin. Wir tragen die Robe ausschließlich vor Gericht, so wie Ärzte ihren weißen Kittel auch nur im Krankenhaus oder in der Praxis tragen. Mit schweren Sanktionen wird bestraft, wenn wir damit über die Straße laufen und sei es auch nur zu dem Zweck, beim Bäcker ein Brötchen zu besorgen, um für einen vernünftigen Blutzuckerspiegel in der Verhandlung zu sorgen.
Werbung auf der Robe? Das widerspricht dem Geist des Berufsrechts. Andererseits macht dieses auch keine Vorgaben, wie so eine Robe denn genau auszusehen oder nicht auszusehen habe. Man möchte nun meinen, dass der Werbeeffekt spätestens dann erreicht ist, wenn die Parteien sich unter anwaltlicher Vertretung vor Gericht treffen. Denn dann haben sie doch ihren Anwalt schon gefunden. Aber auch dort wollte der Kollege auf Akquise gehen.
Dies fand offensichtlich die Berufsstandvertretung in Nordrhein-Westfalen nicht amüsant. Der Kollege stritt zwei Instanzen darüber, ob er seine Robe so hübsch individualisieren dürfe. Der Anwaltsgerichtshof war jedoch der Auffassung, eine solche Maßnahme diene dem werblichen Auftreten nach außen und der Kollege würde auf diese Weise in Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Die Werbung sei unsachlich, weil ein Gericht der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 BORA, da der Kollege mit einer besticken Robe gegenüber einer unbestickten Robe von der üblichen Berufstracht abweiche.
Uns hat nachdenklich gemacht, was manche Kollegen so bewegt und wie viel Zeit und Energie sie in wirklich wichtige Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung investieren. Wir investieren unsere Zeit mehr in die Bearbeitung unserer -manchmal profaneren- Mandate. Der Kollege nahm hingegen den Kampf weiter auf, die Sache nun vor dem Bundesverfassungsgericht zu verfolgen. Wir sind gespannt, ob wir mehr hören werden.
Und wir dachten bislang immer, die beste Werbung wäre eine erfolgreiche Mandatsbearbeitung, die sich insbesondere vor Gericht, bei dem eigenen Mandanten und dessen Gegner zeigt. Aber offensichtlich sind wir dafür zu old school ;-).
Anwaltsgerichtshof NRW, Urteil vom 29.05.2015 - 1 AGH 16/ 15
Entscheidung zu anwaltlich interessanten Fällen im Wettbewerbsrecht.
Ansprechpartner: Fachanwalt für Gewerblichen Rechtschutz (einschliesslich Wettbewerbsrecht) Jochen-P. Kunze