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Risiken für Bewerter und BewerteteBewertung von Immobilienmaklern
23.02.22Sturmerprobte Makler müssen tapfer sein und auch scharfe Kritik in Bewertungen aushalten können. Aber auch kritische Bewerter leben nicht ungefährlich.
Ein schneller und heftiger Schlagabtausch vor Gericht zwischen einem Makler und einem Interessenten. Die Entscheidung zeigt, das Anbieter nicht nur die zuckersüßen 5-Sterne Bewertungen im Netz erwarten dürfen, andererseits Bewerter aber auch sehr genau überlegen müssen, was sie tun, wollen sie Prozessrisiken vermeiden. Der Fall erweist sich in der Gesamtbetrachtung für keine Partei als glorreicher Gewinn. Die Gerichte in Schleswig-Holstein zeigen schnelle und berechenbare Entscheidungspraxis. Was ist da im Landgerichtsbezirk Flensburg passiert?
Kundenanfrage bei Makler schroff beantwortet
Ein Interessent für eine Ferien-Immobilie hatte sich bei dem Makler Makler (organisiert in Form einer Kapitalgesellschaft) gemeldet und eine Preisofferte deutlich unter dem Angebotspreis abgegeben, die der Makler wegen der Differenz als unseriös qualifiziert und mit dem Verkäufer nicht einmal erörtern wollte.
Der Interessent besserte nach und erkundigte sich nach einiger Zeit über die Reaktion des Verkäufers. Diese lag noch nicht vor. Der Interessent fühlte sich vom Makler nicht ernst genommen, ob berechtigt oder nicht, das werden wir wohl nicht erfahren. Jedenfalls wurde die Immobilie kurz später zu einem deutlich über dem Angebot des Interessenten liegenden Kaufpreis veräußert.
1-Stern Bewertung bei google places
Der Interessent gab im Nachgang auf google places eine 1-Sterne-Bewertung mit dem Kommentar ab:
„Arrogant und wenig hilfsbereit. Kein wirklicher Einsatz für einen potentiellen Käufer. Ich rate ab, auch für eventuelle Verkäufer“
Abmahnung des Kunden wegen der Bewertung
Das lassen sich Makler auch nur ungern gefallen. Es folgte eine Abmahnung des Interessenten und aufgrund verweigerter Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung landete der Fall vor dem hiesigen Gericht. Dort stellte sich heraus, dass der Interessent wohl die falsche Gesellschaft bewertet hatte und das Verfahren endete mit einem Anerkenntnisurteil gegen den Interessenten.
Der – offenbar verärgert- setzte mit einer Bewertung nun des Maklers selbst nach.
Unterlassungsklage beim Landgericht Flensburg
Auch dieser Fall landete beim Gericht in Flensburg.
Der Makler klagte persönlich und in Gestalt seiner Gesellschaft. Er vertrat die Auffassung, die Bewertung und der Kommentar seien reine Schikane, die Meinungsäußerungsfreiheit des Interessenten müssen da zurückstehen. Der Interessent berief sich auf eben seine Meinungsfreiheit. Erstinstanzlich wurde die Unterlassungsklage des Maklers abgewiesen.
Rechtsmissbräuchliche Bewertung
Er schritt voran zum OLG. Er argumentierte, dass die Auseinandersetzung ein vorsätzlich konstruiertes, jeglicher Realität fernliegendes und deshalb offensichtlich nicht ernst gemeintes Angebot für eine Immobilie zum Hintergrund habe. Die Äußerung sei nichts anderes als eine „Retourkutsche“ des Interessenten mit Blick auf den Vorprozess und damit als Verfolgung eines sachfremden Zieles dar. Insoweit habe sich das Landgericht von der Einlassung des Beklagten im Termin blenden lassen. Damit liege gleichzeitig ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB vor. Selbst eine redliche Motivation des Beklagten unterstellt sei die unsachliche Formulierung „arrogant“ nicht zu rechtfertigen. Zudem habe der Beklagte vorsätzlich den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB verwirklicht.
Entscheidung des OLG in Schleswig
Das OLG stellte folgendes rechtskräftig fest:
Bewertung geeignet zur Feststellung einer Rechtsverletzung
Die Erklärung des Interessenten, den Makler persönlich als arrogant und nicht hilfsbereit empfunden sowie sich nicht als Kunde behandelt gefühlt zu haben, ist als Vorhalt eines arroganten Geschäftsgebarens geeignet, den Makler sowohl in seinem allgemeinen sozialen Geltungsanspruch als auch in seiner Geschäftsehre im besonderen zu verletzen.
Die Bewertung des Interessenten ist unter Abwägung der betroffenen Interessen in diesem Fall aber nicht rechtswidrig.
Meinungsäußerung vs. Schmähkritik
Hier bezieht sich das OLG auf instruktive Rechtsprechung des BGH: Die Frage, ob eine Äußerung eine rechtswidrige Ehrverletzung bedeutet, ist – wenn wie hier kein Fall der Schmähkritik (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 18) oder Formalbeleidigung vorliegt – davon abhängig, ob es sich bei der Äußerung um die Kundgabe einer Meinung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt. Bei Meinungen im engeren Sinn gilt eine Vermutung zugunsten der freien Rede. Für Tatsachenbehauptungen gilt, dass wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden müssen, unwahre dagegen nicht. Ob eine Äußerung in ihrem Schwerpunkt als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, bestimmt der Gesamtzusammenhang.
Bewertung des konkreten Einzelfalls
Die beanstandete Internetbewertung enthält in Form des wörtlichen Zitats einer Äußerung des Maklers persönlich eine Tatsachenbehauptung und im Übrigen - schlechtmöglichste Ein-Stern-Bewertung- auch Werturteile. Dabei steht das durch eine einzelne Tatsachenbehauptung kolorierte Werturteil, sich auf Grund eines als arrogant und wenig hilfsbereit empfundenen Verhaltens des Klägers nicht als Kunde gefühlt zu haben, derart im Vordergrund, dass von einer einheitlichen, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallenden Meinungsäußerung auszugehen ist. Aufgrund dessen hat sich das OLG gehalten gesehen, das Schutzinteresse des Maklers selbst aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW, 2015, 773 Rn. 21).
Tatsacheninhalte zutreffend, Werturteile anknüpfend
Die Aussagen des Maklers waren im Kern unstreitig und damit als Tatsache richtig anzusehen. Die Wertung des Interessenten, das Verhalten des Maklers als arrogant empfunden und sich nicht als Kunde behandelt gefühlt zu haben, entfernt sich sachlich nicht von diesem wahren Tatsachenkern.
Makler will Bewertungen, muss auch mit Kritik leben
Das OLG berücksichtigt dabei auch, daß der Makler zum Zwecke der Förderung seiner Geschäfte aktiv den Auftritt im Bewertungsportal gesucht hat und Online-Kundenbewertungssysteme gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Artikels 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt (BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18, NJW 2020, 370 Rn. 38). Dem gegenüber kann sich der Makler nicht darauf berufen, dass ein Kaufinteressent Wohl oder Übel mit dem anbietenden Makler in Kontakt treten müsse.
Darlegungsprobleme hinsichtlich des Rechtsmissbrauchs
Der Einwand des Maklers, es habe sich bei dem Angebot des Interessenten lediglich um ein Fake-Angebot gehalten, um nachfolgend in böswilliger Absicht den Makler abwertend zu beurteilen, konnte der Makler nicht hinreichend substantiieren. Auch das niedrige Kaufpreisangebot des Interessenten sei nicht als „nicht ernsthaftes Angebot“ zu bewerten. Ein möglichst geringer Kaufpreis liegt dabei im Interesse eines jeden Käufers. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach Erhalt des Exposés sein Angebot deutlich auf einen Kaufpreis erhöht hat, der nur unwesentlich weiter vom später tatsächlich erzielten Kaufpreis entfernt lag, als der ursprünglich vom Makler aufgerufene Kaufpreis.
Entscheidung: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.02.2022, Az: 9 U 134/21
Ansprechpartner im Wettbewerbs- und Persönlichkeitsrecht gegen rechtswidrige Bewertungen bei google und Co:
Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechschutz und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Flensburg Jochen-P. Kunze